Abrisspläne - das Ende der schönen Trittkopf-Pendelbahn?!
Schon seit vielen Jahren träumt man am Arlberg von einer durchgehenden Ski-/Seilbahnverbindung zwischen den Skigebietsteilen Arlberg Ost (St. Anton, St. Christoph, Stuben) und Arlberg West (Zürs, Lech, Oberlech). 2006 jedoch war erstmal nur von einem Neubau der Trittkopfbahn auf bestehender Trasse die Rede, welcher aber zum Glück für die bestehende Anlage nicht verwirklicht wurde.
Stattdessen legt man nun die Priorität auf die direkte, komplette Realisierung einer Art "Dreiecksbahn" mit abzweigender Verbindung von einer Mittelstation auf dem Ochsenboden (rechts der heutigen Trasse gelegen)
hinüber zur Alpe Rauz/Valfagehrbahn. Beim Bahntyp soll es sich um eine Einseil-Umlaufbahn (EUB) handeln und die Mittelstation, von wo je eine Trasse gen heutige Trittkopfbahn-Bergstation und gen Valfagehrbahn/Anschluss Arlberg Ost abzweigen würde, ist mitsamt einem Restaurantkomplex geplant. Für diese somit aus insgesamt drei Sektionen vorgesehene Anlage ist der Name "Flexenbahn" gewählt worden.
Schon die grobe Umschreibung lässt ein Mammutprojekt erahnen und wenn man die geographischen Gegebenheiten vor Ort kennt, wird schnell klar was für ein massiver Eingriff in die Landschaft dafür vonnöten ist...
"UVP" - erst Ja, dann Nein?
In den letzten Jahren um die Neubaupläne herum tauchte ein Wort verstärkt auf, welches auch in gewisser Weise bisher das Leben der aktuellen Trittkopf-Pendelbahn rettete: Die UVP = Umweltverträglichkeitsprüfung.
Als man beschloss, den Neubau der Trittkopfbahn mit der lange ersehnten seilbahntechnischen Verbindung Richtung St. Anton/Alpe Rauz zu kombinieren, stellten sich alsbald Probleme mit ebendieser dar.
Dazu eine kurze und grobe Erklärung, worüber es sich hier handelt: Sollen Skigebiete erweitert oder neu erschlossen werden, ist der Umfang der unweigerlichen Eingriffe in die Natur der betroffenen Bergwelt zu prüfen. Um aber nicht "wegen jeder Kleinigkeit" eine Einzelfall- bzw. UV-Prüfung durchführen zu müssen, gibt es eine sogenannte Bagatellgrenze. Diese wurde mit den ursprünglichen Plänen des Trittkopfbahn-Neubaus inkl. Verbindungsbahn und Modernisierung der Albonabahnen (dem Ort Stuben zugehörig) jedoch überschritten...
Im Frühjahr 2012 wurden die bisherigen Pläne abgeändert und im Herbst bei den zuständigen Landesbehörden von Tirol und Vorarlberg wieder neu eingereicht. Es wurde u.a. auf einen größeren Bergstationskomplex am Trittkopf, sowie eine Skipiste/Verbindungsweg (Anm.: diese zählen ebenfalls mit zur Flächenberechnung) verzichtet.
Und was geschah?
Das ganze Vorhaben, übrigens interessanterweise nur als "Änderung am Skigebiet" eingestuft, sank rein beiläufig unter die festgelegte Bagatellgrenze von 5 Hektar! Somit war keine UVP/Einzelfallprüfung mehr verpflichtend, da man mit 4,91 ha nunmehr knapp darunterlag... es gibt zwar eine Widerspruchsfrist, welche z.B. Umweltverbände nutzen könnten, jedoch sind offiziell bisher leider keinerlei Interventionen bekannt.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ebenfalls die Doppelsesselbahn "Übungshangbahn" (fix geklemmte Doppelsesselbahn, ihre Talstation ist in die der Trittkopfbahn integriert) durch eine 6er-KSB (kuppelbare Sesselbahn) ersetzt werden soll. Dieser Projektteil hat aber keine Probleme bereitet und wurde infolgedessen auch nicht abgeändert, beide Neubauten sollen sich wie bisher ihre Talstation teilen.
Aber warum das Ganze? Eine Auflistung von einigen Pro und Contra:
Kapazität
Mit der heutigen Pendelbahn (PB) ist eine maximale Beförderung von 600 Personen pro Stunde möglich, mit einer typischen EUB wären es ca. 2000 - 2500 P/h. Aktuell greift im Skigebiet Arlberg West bei zu erwartender Überfüllung eine Kontingentierung der Tageskarten, sodass Tagesgäste in dem Falle nur noch Skipässe mit beschränkter Gültigkeit auf das Gebiet Arlberg Ost (St. Anton) erwerben können. Mit einer stärkeren Förderleistung an der größten Anlage von Zürs wäre eine Heraufsetzung oder gar Abschaffung des Limits denkbar, was somit auch höhere Umsätze/Einnahmen bedeutet.
Skipistenauslastung
Neben den vielen Tiefschnee- und Geländeabfahrten, welche den Arlberg berühmt gemacht haben, erschließt die Trittkopfbahn auch einige Skirouten (markierte und gesicherte Abfahrten, manchmal mit präparierten Teilstücken) sowie Skipisten (markierte, gesicherte und präparierte Abfahrten). In der Grafik sind die möglichen offiziellen Abfahrten dargestellt, welche von der Bergstation der aktuellen Trittkopfbahn aus erschlossen werden.
|
Mit der Pendelbahn gelangen schnellstens nur ca. alle 6 Minuten max. 45 Personen auf den Berg. Durch die hohe Fahrgeschwindigkeit von pendelbahntypischen 10 Metern pro Sekunde im Regelbetrieb (im Gegensatz zu meist 6 m/s bei EUB) gestaltet sich die Fahrtzeit selber eher kurz.
Durch die geringere Gesamtförderleistung, das Fassungsvermögen der relativ kleinen Kabinen sowie die typische Betriebscharakteristik einer Pendelbahn ist es folglich am Trittkopf selbst an schönsten Tagen nicht überfüllt, da die Anzahl der Personen am Berg automatisch begrenzt ist. Es ist also fast durchgängig möglich, eine fast leere Piste vorzufinden oder noch lange die ein oder andere frische Spur ins Gelände legen zu können - was viele Stammgäste sehr schätzen.
Nun wirbt Lech/Zürs seit einigen Jahren mit dem Motto "Raum und Zeit" und legt viel Wert auf eine Darstellung als "exklusiver" Wintersportort. Nur, wie wird es wohl auf den Hängen des Trittkopfes aussehen, wenn über dreimal so viele Personen pro Stunde wie bisher auf den Gipfel befördert werden können? Eines ist gewiss, soviel Platz wie mit der heutigen Anlage wird es am Berg Trittkopf bei hohem Andrang nicht mehr geben und das Gefühl, eine Piste oder einen Tiefschneehang fast exklusiv für sich alleine zu haben, wird kaum mehr erlebbar sein...
Verbindung nach St. Anton
Aktuell erfolgt die Anbindung von Lech/Zürs an St. Anton/Arlberg Ost per Skibus. Dieser fährt während der Skisaison sogar in 10-Minuten-Abständen, mit ebensolanger Fahrzeit. Somit ist die Verbindung von der Taktdichte her bereits auf einem sehr hohen Niveau. Mit Neubau einer Verbindungsbahn wäre dieser überflüssig und es wären weniger dieselbetriebene Busse unterwegs. Dem steht jedoch ein neuer und sehr massiver Eingriff in die Alpenlandschaft gegenüber, denn es muss eine relativ lange, überwiegend horizontale Entfernung von Zürs (geplante Mittelstation Ochsenboden) bis Alpe Rauz (Anschluss Valfagehrbahn) überwunden werden. Nimmt man also das Umweltargument, wäre es sicherlich eine Alternative, beispielsweise Busse mit Erdgas-, Hybrid- oder Brennstoffzellenantrieb einzusetzen. Somit könnte man wie einige andere Städte/Gemeinden, die solche alternativen Antriebsformen bereits teilweise einsetzen, eine mitunter auch werbewirksame Vorreiterrolle einnehmen!
Landschaftsbild - Trasse und Stützen
Während kuppelbare Anlagen (wie Einseil-Umlaufbahnen) durch die höhere Stützenanzahl sowie einen konstanten Abstand der einzelnen, aufeinanderfolgenden Fahrbetriebsmittel (Sessel oder Gondeln) meist von weitem und über ihren gesamten Trassenverlauf deutlich erkennbar sind, so beschränkt sich dies bei einer Pendelbahn höchstens auf einige wenige Stützen.
Bei der neu geplanten "Flexenbahn" werden im Gegensatz dazu insgesamt 25 massive Rundrohrstützen in die Berghänge gesetzt. Dabei soll sich die Stützenanzahl wie folgt verteilen:
1. Sektion (Zürs-Ochsenboden): 12 Stützen auf 1.875 m Bahnlänge
2. Sektion (Ochsenboden-Trittkopf Bergstation): 5 Stützen
3. Sektion (Ochsenboden-Alpe Rauz): 8 Stützen auf 1.650 m Bahnlänge
Links ein Vergleich der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Anlagentypen in Zürs. Während die Trittkopfbahn (=Pendelbahn) mitsamt Trassenverlauf und ihren filigranen Fachwerkstützen kaum sichtbar ist, heben sich die zwei kuppelbaren Sesselbahnen (=KSB) relativ deutlich ab. (Ins Bild klicken für vergrößerte Ansicht, öffnet im separaten Fenster) |
Hinzu kommt die neue Führung der Trasse über eine Mittelstation weit rechts der bisherigen Bahnlinie, um den Abzweig gen St. Anton realisieren zu können. Somit wird, von Zürs aus Richtung Trittkopf schauend, mehr "Hang zugebaut" da die Bahn neben der technisch notwendigen Mehranzahl an Stützen auch noch eine längere Strecke mit Umweg überwinden muss. Denn die neue Bergstation soll am Standort der bisherigen entstehen und somit fordert die längere Gesamttrasse auch logischerweise noch mehr Streckenbauten als es ohnehin systembedingt (EUB vs. PB) nötig wäre. |
Der bisherige Streckenverlauf der Trittkopfbahn: Unauffällig geradeaus und hoch... |
Landschaftsbild - Stationsbauten
Bergstation, vom gegenüberliegenden Seekopf aus gesehen |
Neben den Stützen sind die Stationen ein weiteres Merkmal. Schon alleine aus technischen Gründen (Ein- und Auskuppeln der Fahrbetriebsmittel, Beschleunigungs- und Bremswege) sind bei kuppelbaren Anlagen längere, größere Station notwendig als bei einer möglichst kompakt gehaltenen Pendelbahnstation. Desweiteren ist an der Mittelstation einer neuen "Trittkopf-EUB" bzw. der Flexenbahn zusätzlich ein Restaurant geplant, somit wird der gesamte Komplex noch größer! Die aktuelle Bergstation der Trittkopfbahn beherbergt zusätzlich zur Technik "nur" einen kleinen Aufenthaltsraum, sanitäre Einrichtungen, sowie eine seitliche schmale Sonnenterrasse. |
Auch die Talstation weiß sich unauffällig in ihre Umgebung zu integrieren, denn das Gebäude ist ganz im Stil der umliegenden Häuser gehalten. Bei der Trittkopfbahn-Talstation befindet sich die maschinentechnische Ausrüstung überwiegend im Untergeschoss, integriert sind unter anderem noch eine Sesselbahn, Unterkünfte für die Seilbahnbediensteten sowie der Skipassverkauf. Bei kuppelbaren Anlagen werden, abgesehen von den technischen Gegebenheiten, die meisten Stationsneubauten jedoch auch aus Prestigegründen betont auffällig gestaltet - ob dies aber so recht in das beschauliche Ortsbild von Zürs passen würde? |
|
Schlicht und funktional gehalten, harmonisiert die Talstation... |
... problemlos mit den Gebäuden ringsherum, fast identisch |
Fazit
Der Wunsch des Skigebietverbundes "Arlberg" ist durchaus nachvollziehbar: um den letzten Lückenschluss der 2 Teilskigebiete zu tätigen, verfolgt man schon seit vielen Jahren Pläne zum Bau einer seilbahntechnischen Verbindung. Nur fragt man sich, ist dieser immense Aufwand es tatsächlich wert? Ist es ein so unüberwindbares Hindernis, für einpaar Minuten die Skier abzuschnallen (was man bei einer EUB ebenfalls tun müsste!) und sich kurz in einem Skibus, welcher bereits im sehr dichten Takt fährt, aufzuhalten? Ist in Anbetracht von viel schlechter vernetzten Skigebieten mit Gesamtskipass, welche teilweise noch größer sind, ein solch baulicher Aufwand und Eingriff in die Alpenlandschaft zwingend zu tätigen?
Der besondere Charme des Skifahrens in Zürs wird dadurch unweigerlich verloren gehen, das Fahren am Trittkopf wird nichts mehr mit der vielbeworbenen "Exklusivität" und dem "(Frei-)Raum" zu tun haben...
Und vorallem, wird einem jahrelangen Besucher des Arlberges nicht diese charismatische Pendelbahnanlage und heimliches Wahrzeichen von Zürs letztendlich irgendwie fehlen? Mag es auch während der Bergfahrt etwas eng zugehen und man nicht einen Sitzplatz hat wie in einer 6er oder 8er-EUB-Kabine, so geht die Fahrt selber dennoch schnell vonstatten und mit welch einer Laufruhe ohne ständige Stützenüberfahrten! Natürlich muss man manchmal etwas länger an der Talstation anstehen, doch entlohnen die fast leeren Pisten nachher nicht mehr als ausreichend dafür? Schließlich kommt so immer nur stoßweise "eine Wagenladung voll Menschen" auf den Berg, welche sich schnell verteilt anstatt eines unaufhörlichen Menschenzustromes bei höherer und kontinuierlicher Förderleistung.
|
Manche Sachen kann man aber nicht rational darstellen und erklären, erst recht wird sie nicht jeder verstehen können... Nicht für umsonst gelten Großkabinen-Pendelbahnen oftmals als die interessanteste wie faszinierendste Bauform von Seilbahnanlagen, in Anbetracht der Dimensionen und Trassenführungen, sowie den maschinentechnischen Installationen.
Die Trittkopfbahn oder auch die "kleine Rote" ist seit 1962 ein heimlicher Klassiker in Zürs, ihr schönes Konterfei ziert nicht wenige Postkarten und sie ist dem ein oder anderen über die Jahre schlichtweg ans Herz gewachsen. Nur zu vertraut ist der Anblick vom Tale aus über die fast schon verloren-einsam wirkende zierliche Stütze 1 hinauf zum Berg, wo ab und an zwei Wagen entlangschweben, scheinbar schwerelos als kleine rote Farbtupfer zwischen weißem Schnee und blauem Himmel!
- Diese Seite wird bei Bedarf fortlaufend bearbeitet und ergänzt -